Wie wichtig ist den Fans im europäischen Football sportlicher Erfolg wirklich?
- A.T.

- 13. Nov.
- 5 Min. Lesezeit
Recherche bei Fire, Galaxy und Surge
Düsseldorf ! RP online · Touchdowns, Siege, Titel – all das ist schön, aber für viele Football-Fans längst nicht alles. Wer zu Rhein Fire, Frankfurt Galaxy oder Stuttgart Surge geht, sucht nicht nur Sport, sondern Erlebnis, Gemeinschaft und Gänsehaut. Warum Siege oft nur Nebensache sind.

"Zu einem Footballspiel gehen und am Ende nicht mal genau wissen, wie das Spiel ausgegangen ist – klingt seltsam, scheint aber vorzukommen."
So zumindest hat es ein Verantwortlicher von Rhein Fire mal unserer Redaktion erzählt, als es um die Wichtigkeit des Rahmenprogramms bei Heimspielen ging: Egal, was auf dem Platz passiert ist, der Tag war schön. Wohl eher ein Einzelfall, aber dennoch als Gedanke spannend:
Wie wichtig ist der sportliche Aspekt eigentlich beim Stadionbesuch im europäischen Football?
„Wenn du ein Ticket für ein Footballspiel kaufst, sollte dir bewusst sein, dass du nicht nur 60 Minuten Spielzeit kaufst, sondern einen ganzen Tag voller Erlebnisse und positiven Eindrücken.“
Das sagt Nadine Klein im Gespräch mit unserer Redaktion. Sie ist erste Vorsitzende der „Standing Purple“, einem Fanklub von Frankfurt Galaxy. Genauso argumentieren Franchises auch gerne, wenn es um ihre Ticketpreise geht.

„Wir sind Fans der Mannschaft und nicht das Gewinnens“
Wenn das Spiel einmal laufe, dann stehe das sehr wohl im Fokus, stellt Klein aber auch klar. Und an sich seien die Menschen besser drauf, wenn die eigene Mannschaft gewinne. Das sei aber nicht entscheidend:
„Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, in der Defense zu trommeln und laut für die Jungs zu sein, auch wenn wir 100:0 zurückliegen. Weil wir Fans der Mannschaft sind und nicht des Gewinnens.“
Doch neben dem Platz sei das „Socializing“ enorm wichtig. Die Fan-Gemeinschaft sei inzwischen so etwas wie eine Familie mit regelmäßigen Treffen und Freundschaften auch abseits des Footballs.
Bei Teams wie Galaxy oder Rhein Fire gehört es fest dazu, schon Stunden vor dem Spiel eine Party mit Rahmenprogramm zu bieten.
„Die Leute ohne das Drumherum zu gewinnen, ist bestimmt schwieriger“,
denkt auch Jens Meier, Fanbeauftragter des „Surge OFC United e.V.“ aus Stuttgart. Seine Mitstreiter und er zelebrieren vor jedem Heimspiel das Tailgating auf dem Parkplatz.
„Der Austausch mit den Fans dort ist sehr wichtig.“
Für jedes Heimspiel legt er 100 Kilometer nach Stuttgart zurück – für eine Strecke.
Natürlich sei sportlicher Erfolg ein Garant für Zuschauer, und auch wirtschaftlich sei das für die Franchises besser.
Aber:
„Für mich persönlich ist das Gesamtpaket wichtiger.“
Meier und alle, die es schon länger mit Surge halten, müssen es wissen, denn sie haben 2022 eine Saison gänzlich ohne Sieg ihres Lieblingsteams durchgemacht. Trotzdem waren die Zuschauerzahlen im Vergleich zu 2021 hochgegangen. Laut Meier gehe es eben auch um
„die Gemeinschaft durch den Fanklub“.
Und man wolle den lokalen Spielern
„Anerkennung zeigen für ihren Einsatz“ –
schließlich sei es für sie mit hohem Aufwand verbunden, in der European League of Football (ELF) zu spielen und den heimischen Fans Football auf diesem Niveau zu bieten.

Surge und Galaxy mit widersprüchlichen Zuschauer-Entwicklungen
In den starken Folgejahren der Surge 2023 mit dem Finaleinzug und 2024 (Halbfinale) stiegen die Zuschauerzahlen weiter. 2025 gingen sie plötzlich wieder runter – obwohl Surge am Ende sogar den Titel in der ELF holte. Eine solch widersprüchliche Entwicklung der Zuschauerzahlen erlebte auch Frankfurt Galaxy. 2021 wurde das Team direkt ELF-Champion. Danach ging es nur noch ein einziges Mal in die Play-offs (2023), vor allem die beiden vergangenen Spielzeiten verliefen sportlich enttäuschend. Trotzdem kamen jedes Jahr mehr Zuschauer.

Bei Rhein Fire dagegen passt die Entwicklung der Zuschauer zum Sportlichen. Von 2022 bis 2024 eine Steigerung, 2025 dann der Rückgang. Wenn man nun fragt, woran es gelegen haben mag, dann werden viele Dinge genannt – das sportliche Abschneiden des Teams aber nie. Besonders schlecht war die Saison ja ohnehin nicht, sie war nach den außergewöhnlich dominanten Vorjahren einfach normal.
Mithilfe des Fanklubs „Redzone ELF“ (der Zusatz dürfte bald geändert werden) hat unsere Redaktion einige Zuschriften von Fire-Fans zu diesem Thema erhalten. Auch hier ist der Tenor eindeutig. Wir dokumentieren Auszüge:
„Ich finde, das Gesamtpaket muss stimmen. Klar ist die Stimmung am Ende besser, wenn das Spiel mit einem Sieg endet, aber das würde ich nicht auf Platz eins setzen, solange man sieht, dass die Mannschaft kämpft.“
„Für mich zählt das gesamte Erlebnis aus Tailgaiting und Spiel plus die Fannähe der Franchise.“
„Der sportliche Erfolg ist für mich nicht wichtig. Klar gehe ich mit besserer Laune nach Hause, wenn wir gewonnen haben. Aber auch wenn die Saison nicht so gut läuft, gehe ich gerne ins Stadion.“
„Für uns [als Familie, Anm. d. Red.] ist es ein kleines Event, das alle einbindet – egal ob groß oder klein, jeder hat Spaß. Natürlich freut man sich über sportlichen Erfolg und es ist super, wenn das Team gewinnt. Aber selbst wenn die Saison mal nicht so gut läuft, geht das Vergnügen nicht verloren. Für mich zählt vor allem, dass man zusammenkommt, die Stimmung genießt und einfach einen tollen Tag hat.“

Das überschneidet sich sehr mit den Aussagen aus Frankfurt oder Stuttgart.
„Wenn man Fans im Stadion haben will, muss man ein gutes Gesamtprodukt liefern“,
sagt Nadine Klein. Der wichtigste Aspekt dabei: „Fannähe.“ Bedeutet:
Eine transparente Kommunikation,
ein offenes Ohr für die Wünsche der Anhänger sowie
entsprechende Erreichbarkeit auch über Social Media hinaus.
Die Party vor dem Spiel solle auf die Fans abgestimmt sein, dafür brauche es keine übertriebenen Attraktionen.
Party vor dem Spiel als Anziehungsfaktor
Es gibt aber auch Gegenstimmen.
„Die Party ist okay, aber nicht der Grund warum ich nach Duisburg fahre“,
schreibt ein Fire-Fan zum Beispiel. Ein anderer:
„Das ‚Event‘, also die Party vor dem Spiel, ist mir inzwischen echt egal. Ist seit Jahren immer das gleiche.“
Doch er fügt etwas spannendes hinzu:
„Ich besuche die Party nur, wenn ich neue Leute dabei habe, um ihnen das zu zeigen.“

Klar, wer bei jedem Spiel ist, der hat irgendwann alles gesehen. Wobei Fire laut eigenen Aussagen ja daran arbeiten will, die Party noch besser zu machen. Aber der letzte Satz des Fans macht auch deutlich: Es ist schon jetzt gerade für neue Besucher durchaus sehenswert und etwas, mit dem man zeigen will, dass es bei einem Footballspiel um mehr geht als die paar Stunden im Stadion. Das Football noch mehr zu bieten hat.
Das Event drumherum ist also ein Anziehungsfaktor für potenzielle neue Fans und steht auch dafür, dass man einen richtig guten Tag haben kann – selbst, wenn man (noch) überhaupt keine Ahnung hat, was da auf dem Rasen überhaupt passiert. Was das Geschehen dort aber nicht weniger wichtig macht.
Alfred Tkaczuk
(Quelle: Rheinische Post - Stefan Janssen)





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