- A.T.

- vor 6 Tagen
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Der Ligenstreit und die Folgen
Eine Meinung von Stefan Klüttermann, Leiter der Sportredaktion der Rheinischen Post
ELF und EFA inszenieren ihre Wiedervereinigung als Erfolg. Die Fusion verspricht ein stärkeres Liga-Produkt, aber der Sport und seine Anhänger zahlen auch einen hohen Preis. Denn die vergangenen Monate haben bittere Kollateralschäden produziert.

Eines muss man der ELF genauso wie der EFA lassen: Sie wissen immer wieder zu verblüffen. Immer, wenn man als Beobachter der European League of Football und der European Football Alliance denkt, man habe von beiden Seiten jetzt jede erdenkliche Schote erlebt, kommen sie mit der neuesten Wendung der Ereignisse um die Ecke. Und am Mittwoch eben mit dem Paukenschlag, dass sich beide ach so über Kreuz liegende Organisationen unter dem Dach der ELF vermeintlich friedlich wieder vereinigen.
Die Frage lautet also: War dieser 26. November nun ein guter Tag für den europäischen Football? Die Antwort: Ja – und ein schlechter. Der Football ist in Sachen ELF-Auferstehung Gewinner und Verlierer zugleich, die Footballfans sind Gewinner und Verlierer zugleich – selbst das haben ELF und EFA am Ende noch hinbekommen. Wir erläutern, wie.
Das sind die Gewinner der Re-Union:
Der europäische Football
Mit der Bekanntmachung vom Mittwoch scheint der Spielbetrieb einer paneuropäischen Footballliga im kommenden Jahr gesichert. Die etablierte ELF mit ihren TV-Verträgen, ihren aufgebauten Strukturen und offenbar der Bereitschaft zu Reformen, dazu prominente Franchises aus der EFA wieder im Portfolio – die Liga verspricht, 2026 ein ansehnliches Produkt zu werden, wenn beide Seiten ihre besten Seiten gewinnbringend vereinen.
Die Footballfans
Die Anhänger wurden in den vergangenen Wochen auf eine harte Probe gestellt. Und sie dürfen nun mehrheitlich erleichtert aufatmen, weil es auch 2026 wieder eine ELF-Saison geben wird.
Zeljko Karajica und die ELF
Wochenlang sah es so aus, als wäre es das gewesen mit dem Gründer und Geschäftsführer und mit seiner ELF. Die EFA-Revolte reduzierte ein potenzielles Teilnehmerfeld für 2026 auf ein paar wenige Teams, alles schien auf einen unschönen und teuren Rechtsstreit hinauszulaufen, und er, Karajica, stand im Spiegel der Öffentlichkeit da als derjenige, an dem sich der Untergang der ELF entzündet hatte.

Seit Mittwoch dürfen sich Karajica und seine ELF nun aber als klare Gewinner fühlen. Die Liga wird weiter bestehen. Mehrere Franchises kehren in der öffentlichen Wahrnehmung reumütig in den Schoß der ELF zurück. Und Karajica selbst kann sich mit seinem – wie auch immer ausfallenden – Rückzug aus dem operativen Geschäft als Retter der Idee einer paneuropäischen Liga stilisieren.
Ingo Schiller
Der neue Mit-CEO der ELF war bislang nur dadurch aufgefallen, entgegen der Ankündigung im Saisonendspurt in keinem Stadion gesehen worden zu sein und darüber hinaus als zugeschalteter Gast einer EFA-Tagung enttäuscht zu haben. Dass er nun explizit als Architekt der Re-Union genannt wird, kann die Realität sein oder ein PR-Schachzug. In jedem Fall steht Schiller von jetzt auf gleich glänzend da.

Dazn und ProSieben
Beide TV-Vertragspartner der ELF haben seit Mittwoch wieder eine deutlich größere Gewissheit, im kommenden Jahr ihren Kunden das Produkt ELF auch tatsächlich anbieten zu können.
Aber der Mittwoch produzierte eben nicht nur Gewinner - Hier sind die Verlierer der Re-Union:
Der europäische Football
Ja, der europäische Football ist nicht nur Gewinner. Er ist auch Verlierer. Denn sein Image hat gehörige Kratzer bekommen in den vergangenen Wochen. Alle Welt konnte dabei zusehen, wie sich die Protagonisten aus ELF und EFA gegenseitig zerfleischten. Wie sie auf dem Rücken des Footballs einen Konflikt ausfochten, der sich um die Zukunft eben jenes Footballs drehen sollte. Alle Welt konnte sehen, dass da bisweilen Menschen die Geschäfte im Football führen, die den Mund offenbar zu voll nehmen und zurückrudern müssen, dass der finanzielle Background an manchem Standort offenbar noch schlechter aussieht als gedacht und dass Franchises wie Ligen keinen Deut dazugelernt haben, was eine transparente Information von Fans und Öffentlichkeit angeht.
Die Footballfans
Der Schwebezustand, das Gegeneinander von ELF und EFA, das große Schweigen allerorten – das alles hat viele Fans zuletzt zunehmend genervt, ja zermürbt und einfach frustriert. Was würde es denn nun in 2026 geben? Eine Liga? Zwei? Drei? Keine?

Sagt mal, geht es eigentlich noch?!
Wer als Verantwortlicher bei Klubs und Ligaleitung wirklich denkt, man könne Anhänger und Interessierte – bei jeder verständlichen juristischen Abwägung – wochenlang mit Schweigen und Ignoranz strafen, und dieselben Anhänger würden von jetzt auf gleich wieder in Jubelmodus verfallen, versteht sehr wenig von Öffentlichkeitsarbeit. Sehr wenig von der Führung einer Franchise. Von Fankultur. Und vom modernen Sport.
Die EFA
Was als große Revolte hin zu einer wirtschaftlich erfolgreicheren und demokratischer organisierten Liga-Zukunft ihren Anfang nahm, zerplatzte am Ende wie eine Seifenblase kühner Träume, die offenbar wirtschaftlich keiner der Beteiligten so richtig zu Ende gedacht hatte. Erst zerfiel die EFA selbst in zwei Gruppen über die Frage des Finanzierungsmodells der künftigen Liga, dann kehrten die verbliebenen EFA-Franchises am Mittwoch unter das Dach der ELF zurück.
Und der Rest – Rhein Fire, Wien, Wroclaw und Berlin – steht bis zum Beweis des Gegenteils alleine da. Ohne Liga. Ohne Mitstreiter. Ohne ein Jahr 2026.

Rhein Fire
Der zweimalige ELF-Champion und Vorreiter der EFA-Bewegung steht bis auf Weiteres in der Wahrnehmung mit leeren Händen da und wie seine verbliebenden Mitstreiter (Vienna Vikings, Wroclaw Panthers, Berlin Thunder) massiv unter Druck, zeitnah zumindest ein Konkurrenzprodukt zur ELF zu präsentieren, dass nicht so wirkt, als sei es von Vornherein zum Scheitern verurteilt.
Stuttgart Surge
Der Meister aus dem Mai überlebte die Ungewissheit der vergangenen Monate wohl nicht. Ein Insolvenzantrag wurde bereits gestellt.
PS: Die Halbwertszeit von Gewinnern und Verlieren im europäischen Football ist arg begrenzt. Auch das haben die vergangenen Monate gelehrt. Alles gilt immer nur bis zur neuesten Wendung der Ereignisse.
A.T.
(Quelle: Rheinische Post - Stefan Klüttermann)








